Unser Solarbrunnen: Eine Horrorstory

Wir sind stets bedacht, unsere laufenden Kosten so gering wie möglich zu halten. In diesem Zusammenhang störte uns schon lange, dass der wöchentliche Kraftstoffverbrauch ein fast unerträgliches Maß erreicht hatte. Wir mussten unseren Benzingenerator fast ständig laufen lassen, um unsere zwei Wassertanks von 5.000 und 2.000 Litern Fassungsvermögen zu befüllen. Trotzdem waren unsere Gärtner mehr damit beschäftigt, mit Gießkannen durch den Garten zu laufen, als sich um das Anpflanzen von Gemüse und Obst zu kümmern. Unsere Wasserversorgung – insbesondere des Gartens – war einfach zu umständlich, zu ineffizient und zu teuer.

Da man sich in Afrika über genügend Sonnenschein keine Gedanken machen muss, war die Lösung schnell gefunden: Eine Solar-Wasserversorgung für den Garten musste her. Schnell war die Situation durchgerechnet; eine Amortisierung der nötigen Investition innerhalb von anderthalb bis zwei Jahren schien realistisch. Und so wurden im März 2017, also vor Beginn der großen Regenzeit (die von April bis Anfang Mai dauert), die ersten Weichen gestellt. Ein größerer Wassertank (10.000 Liter) wurde gekauft, ein kleiner 1,5 Meter hoher Wasserturm gebaut und ein entsprechender Brunnen (30 Meter tief) gebohrt. Eine Photovoltaik-Solaranlage sollte dann eine DC-Solarpumpe betreiben und dafür sorgen, dass der Wassertank täglich – sozusagen kostenlos – gefüllt wird. An den Tank sollte dann eine Bewässerungsanlage angeschlossen sein. Die Solarpumpe würde zwar nur bei Sonnenschein arbeiten, aber bei bewölktem Himmel oder in der Regenzeit würde man die Pflanzen im Garten ohnehin kaum bewässern müssen.

Schnell war ein Techniker – auf eine verlässliche (ich betone „verlässliche“) Empfehlung hin – gefunden, der das ganze Projekt zum Laufen bringen sollte. Er nannte uns einen akzeptablen Preis für den Brunnen und versprach, sich um die Details der Solaranlage zu kümmern – womit unsere Horrorstory begann!

Entgegen der Empfehlung des Spezialisten aus dem Photovoltaik-Geschäft, meinte unser „Techniker“, dass er zwei zusätzliche Solarpanele benötigte. Diese waren – inzwischen war die Regenzeit beendet – schnell besorgt. Der Versuch, die Solarpumpe zu betreiben, war jedoch noch nicht von Erfolg gekrönt. Das Problem lag laut „Techniker“ an zwei fehlenden Batterien, um den erhöhten Energiebedarf in den ersten Sekunden des Anlaufs der Pumpe sicherzustellen (dies ist für jede Batterie beim Anlassen von Benzinmotoren eine wirkliche Herausforderung – nicht jedoch für Elektromotoren, wie wir inzwischen erfahren haben).

Also wurden genügend Batterien zur Verfügung gestellt. Trotzdem funktionierte die Pumpe immer noch nicht. Inzwischen waren einige Wochen vergangen, denn die Pünktlichkeit unseres „Technikers“ ließ sehr zu wünschen übrig; er schien ein sehr gefragter Mann zu sein. Endlich hatte er wieder Zeit für uns gefunden und meinte, dass ein Solar-Regler vonnöten sei. Wir investierten weitere ca. 80 Euro und – siehe da – die Pumpe lief (endlich)! Wir freuten uns riesig über 10.000 Liter Wasser täglich, denn nun war es bereits Ende Juni, und die Trockenzeit hatte begonnen.

Es dauerte dann jedoch nur drei oder vier Tage und unser Gärtner kam aufgeregt zu mir und berichtete, dass die Pumpe nicht mehr funktionierte. Inzwischen etwas ermüdet von unserem „Techniker“, bemühte ich einen neuen Spezialisten (von Beruf Elektriker), der sich auch ein wenig mit Sanitärtechnik auskennt.

Die Pumpe wurde zur Kontrolle aus dem Brunnen geholt. Man sah bereits mit bloßem Auge, dass sie extrem verschmutzt war. Das Problem, so wurde mir erklärt, war, dass die Pumpe auf dem sumpfigen Boden des Brunnens betrieben wurde und nicht, wie üblich, zwei oder drei Meter darüber. Sie wurde – unser ursprünglicher Techniker musste dafür nochmals geradestehen – von seinem Sohn repariert und dieses Mal bis auf eine Höhe von 2 Metern über dem Sumpf herabgelassen. Siehe da, das Wasser sprudelte wieder – Überraschung: für ganze zwei Tage! Für eine erneute Reparatur der verschmutzten Pumpe fehlten dieses Mal jedoch Ersatzteile, die aus dem Ausland beschafft werden mussten – und die bis heute (wir befinden uns im November) noch nicht eingetroffen sind. Also entschied ich mich, eine zweite Solarpumpe anzuschaffen, denn in absehbarer Zeit würden wir ohnehin auf einem weiteren Grundstück eine zweite Solar-Bewässerungsanlage einrichten müssen. Dafür könnte man die erste Pumpe einsetzen – sobald sie denn repariert ist. Außerdem konnte der Garten unmöglich auf die Reparatur der Pumpe warten. Dies würde einfach zu lange dauern (was sich schlussendlich tatsächlich bewahrheitete) und unnötiges Benzin und unzählige Stunden Arbeit kosten.

Da ich inzwischen keine Risiken mehr eingehen wollte, bat ich einen neuen Brunnenbohrer, das Brunnenloch vor Einlass der neuen Pumpe nochmals gründlich zu reinigen. Außerdem wollte ich sicherstellen, dass wir die Pumpe weit genug entfernt vom eventuell sumpfigen Boden des Brunnens positionieren. Wir testeten den Betrieb für einige Stunden auf einer Höhe von 25 Metern – also 5 Meter oberhalb des 30 Meter tiefen Brunnens. Die Pumpe lief nicht trocken, es war also auf der Höhe von 25 Metern genügend Wasser vorhanden. Nach dem erfolgreichen Test wurde die Pumpe fest installiert. Inzwischen war es bereits September – der Garten und die Gärtner freuten sich über das reichlich zur Verfügung stehende Wasser. Man musste ihnen fast schon verdeutlichen, dass man Pflanzen auch „ertränken“ kann.

Alles schien gut – bis dann in der letzten Woche der Horrorbericht kam, dass die Pumpe ab und zu aussetzte. Nun konnte das sicherlich auch an den Regenfällen (und fehlenden Sonnenstunden) liegen, die in der kleinen Regenzeit im November üblich sind. Oder vielleicht an den Batterien – was mir eher unwahrscheinlich erschien. Oder war es der Solar-Regler, der einfach Macken hatte? Oder war der Brunnen wirklich – trotz der kleinen Regenzeit – trockengelaufen? Das war eher unwahrscheinlich. Erneut wurde die Pumpe aus dem Brunnenloch gezogen – und siehe da, sie war wieder total verschmutzt.

Um dem Problem sprichwörtlich auf den Grund zu gehen, wäre es nun nötig gewesen eine kleine Kamera in den Brunneschacht hinabzulassen. Ein solches Gerät in Afrika zu finden, ist sicherlich nicht einfach und teuer. Und der Aufwand würde das Problem nicht lösen, dass nämlich der Brunnen ständig versumpft.

Nun erinnerten wir uns daran, dass die Pumpe beim Herausziehen an einer gewissen Stelle auf einen Widerstand gestoßen war, der nur schwer – durch gefühlvolles Hin- und Herrütteln des Seils, an dem die Pumpe befestigt war – zu überwinden war. Ganz so, als ob sie an einem überstehenden PVC Rohr steckenbleiben würde.

Nach Beratung mit zwei weiteren Brunnenbauern, kamen wir zu dem für uns logischen Schluss, dass der Brunnen ab einer gewissen Tiefe (wahrscheinlich dort wo der Wiederstand beim Herausziehen der Pumpe entstand) keine PVC Ummantelung mehr hat. Der Brunnenbauer also an Material gespart haben muss. Dadurch kann sämtlicher Schlamm und Lehm ungehindert in das Brunnenloch sickern. Die schlechte Nachricht: Dieses Problem bei einem bestehenden Brunnen zu lösen, ist nicht möglich.

Brunnenloch bohrenUm die Anlage wieder betreiben zu können, wäre es nun erforderlich, ein neues Brunnenloch zu bohren. Eine Regresspflicht an den Brunnenbohrer – wie in Europa üblich – gibt es in Tansania nicht. Und selbst wenn man einen Rechtsstreit gewinnt, ist die Aussicht auf eine finanzielle Abfindung äußerst gering. In einem Land, in dem fast alles bar bezahlt wird und selbst viele mittelständische Unternehmer keine Bankkonten haben, besteht keine realistische Hoffnung auf Regress. Sobald man jemanden für seine Leistungen bezahlt hat, ist das Geld meistens schon ausgegeben oder an Mitarbeiter, Familienmitglieder oder Freunde verteilt. Sparen ist für viele ein Fremdwort. Alles wird zwar bar bezahlt und doch hat praktisch niemand Geld.

Wir hätten uns gewünscht, diese Art von Erfahrung nicht machen zu müssen. Zur selben Zeit sollten wir jedoch betonen, dass wir vor Vielem bewahrt geblieben sind.

Es gibt ein paar „Spielregeln“, die wir uns angewöhnt haben:

  1. Generell keine Vorauszahlungen zu leisten – selbst bei Personen, mit denen man in der Vergangenheit schon gute Erfahrungen gemacht hat.
  2. Das heißt, bis zur absoluten Fertigstellung immer einen Betrag schuldig bleiben, dann besteht nämlich großes Interesse, die Arbeit pünktlich wieder aufzunehmen oder abzuschließen.
  3. So tragisch-komisch es sich anhört, sich nicht beeindrucken lassen von dem Spruch „Ich habe nichts mehr zu essen“.
  4. Handwerker am besten nur auf Empfehlung vonseiten vertrauenswürdiger Personen unter Vertrag nehmen; aber auch das ist keine Garantie.
  5. Um übliche Nachforderungen zu vermeiden, Serviceleistungen genauestens beschreiben. Selbst für uns absolut eindeutige Begriffe werden oft völlig anders ausgelegt.
  6. Im Zweifelsfall immer eine zweite oder dritte Meinung einholen.
  7. Immer eine gesunde Skepsis an den Tag legen – ganz nach dem Motto: Absolut jeder möchte dich übers Ohr hauen (bitter, aber wahr).
  8. Eine beim ersten Mal erfolgreich abgeschlossene Arbeitsleistung eines Handwerkers kann, unter genau den gleichen Umständen, beim zweiten Mal völlig anders aussehen – wiederholte Kontrolle ist immer besser, als einmal zu vertrauen.

HandwerkerHandwerker sind oft nicht an einem kontinuierlichen Geschäfts und treuen Kunden interessiert. Sie haben lieber heute ein paar wenige Euro mehr in der Tasche, als in den kommenden Monaten ein sicheres und gutes Einkommen. Diese Art zu Denken ist für uns fremd, und es ist nicht leicht, sich an diese völlig unterschiedlichen Wertvorstellungen zu gewöhnen.

Aufbauarbeit ist in einer für uns so anderen Kultur nicht leicht. Wir sind dankbar, dass wir über die meisten der Probleme immer noch schmunzeln können und dass wir bis jetzt vor größerem Schaden bewahrt blieben. Wir sehen dies als „Segen Gottes“ und als „Seine Führung“ an.

Unsere Geschichte ist hier aber noch nicht am Ende. Da der Garten nun doch eine Größe erreicht hat, bei der man in der Trockenzeit nur wenige Tage ohne Wasser überleben kann, entschieden wir uns, das Problem sofort anzupacken. Drei Brunnenbohrer gaben uns einen Kostenvoranschlag, einer von ihnen bekam den Zuschlag, und wir stellten eine Person ab, um sicherzustellen, dass die Arbeiten für die Bohrung des neuen Brunnens sorgfältig ausgeführt wurden. Ich versicherte mich über die Qualität des eingesetzten Materials und war bei den wichtigsten Bauphasen persönlich dabei. Nach drei Tagen konnten wir die „angeblich“ reparierte Solarpumpe in den neuen Brunnenschacht hinablassen. Leider funktionierte die Pumpe wieder nicht, und wir mussten gleichzeitig feststellen, dass auch der Solarkonverter seinen Dienst versagte. Der Kauf einer Ersatzpumpe war unumgänglich, und seit heute, Freitag, dem 17. November, funktioniert die Wasserversorgung des Gartens so, wie es bereits ab Ende April hätte sein sollen. Wir hatten in den letzten Wochen so einiges dazu gelernt und können uns inzwischen wohl als Brunnenspezialisten bezeichnen. Wir haben also etwas gelernt. Man muss die Dinge eben in einem positiven Licht sehen.

Thomas Küsel